Edelsüßes aus der Südpfalz

 

 

Unter einer Beerenauslese läuft bei Jürgen Frey nichts. In Essingen in der Südpfalz, unweit von Landau, erzeugen die Brüder Jürgen und Peter Frey auf 12 Hektar ausschließlich edelsüße Weine, also Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein.
Von Barbara Goerlich
Slow Food Magazin, Ausgabe Oktober/November 2016

Oft fristen die Edelsüßen ein Dasein im Keller, eingelagert für besondere Anlässe wie Kindstaufen, Hochzeiten und runde Geburtstage. Der Irrglaube, dass edelsüße Pretiosen ein halbes Leben lang liegen müssen, damit sie ihr volles Potenzial entfalten, ist halt nicht tot zu kriegen, weiß Jürgen Frey. Edelsüß ist sein Spezialgebiet als deutschlandweit – und wahrscheinlich sogar weltweit – einziger Winzer, der ausschließlich edelsüße Weine herstellt.
Nicht jeder Jahrgang eignet sich gleichermaßen für den Ausbau edelsüßer Weine. Was die selbst auferlegte Messlatte nicht schafft, wird als anonymer Fasswein verkauft. Keine Kompromisse, der Winzer ist sein eigener strengster Kritiker. Jahrelange Erfahrung und das Gespür, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen, Geduld – »wenn wir mit der Lese anfangen, haben unsere Kollegen ihre Keller längst voll« – und hohe Risikobereitschaft treffen zusammen.

Experimente mit der Pipette

Neben den Klassikern Riesling und Spätburgunder hat sich Frey auf Sorten kapriziert, die es edelsüß nicht gibt oder die schwierig zu erzielen sind, etwa Dunkelfelder, Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay oder Ortega – und Cuvées daraus.
Bestseller ist alles, was neu ist. Etwa eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot. »Das gab‘s noch nie, das freut die Sommeliers«, schmunzelt Frey. Sein Motto: »Es geht, was erlaubt ist.« Einzige Bedingung:
Es muss schmecken.

Die Sorten der Cuvées schreibt er meist nicht auf die Etiketten.
Bei Rotwein besteht die Cuvée meist aus drei bis vier Sorten, bei Weißwein können es bis zu acht sein. »Ich picke die Rosinen raus, von jeder Sorte das Typische.« Dann sitzt er mit der Pipette am Tisch und experimentiert – und komponiert immer verwegener etwa fruchtigen Riesling mit würzigem Muskateller und aromatischem Chardonnay.

Die Säure des Rieslings, die Würze des Gewürztraminers, das ist dann wie ein »Spaziergang in einem Obstgarten im Spätsommer«.
»Wichtig ist die optimale Balance zwischen Süße, Säure und Frucht, um mit einem Alkoholgehalt zwischen sechs und acht Grad ein optimales Ergebnis zu erreichen«, sagt Jürgen Frey. Damit liegen die Edelsüßen weit unter dem, was so mancher klassische Wein an Alkoholgehalt mitbringt. Dass die Weine Potenzial für eine lange Lagerung haben, beweist die Schatzkammer des Weinguts. Hier liegen Weine bis zum Jahrgang1976; nur das »Katastrophenjahr 1982« fehlt.
Die Erträge machen nur etwa zehn Prozent eines »normalen« Winzers aus. Unter optimalen Bedingungen liegt der Ertrag bei rund 10 000 Litern. Die Produktion hochzuschrauben ist für Frey keine Option. Darunter leide zwangsläufig die Qualität. Und dann ist da ja immer noch das Risiko des Komplettausfalls. Hagel und Vögel sind die Angstgegner der Freys. Fällt ein Vogelschwarm über einen Weinberg her, sei 20 bis 30 Minuten später nichts mehr übrig. »Da schluckt man«, kommentiert der Winzer, der in dem Risiko jedoch auch einen gewissen Reiz sieht: »Das ist wie Russisch Roulette.«


Kleine Erträge, hohes Risiko

Daher gehören zu seiner Standardausrüstung Wetter-App und Regenradar. Jedes Jahr spekulieren die Freys »aufs Höchste«. Jürgen Frey und sein für die Außenwirtschaft im Weinberg zuständiger Bruder Peter gehen »raus«, wenn andere Winzer längst ihren Keller voll haben. Jeweils im Herbst entscheiden die Brüder, »welche Qualitäten wir mit welchen Lagen anstreben«.
Danach müssen sie bis zu fünf Mal in den Weinberg, um edelfaule Trauben je nach Qualitätsstufe zu selektionieren und letztlich in Handlese einbringen. Wobei Trockenbeerenauslesen je nach Klima auch schon mal Anfang Februar gelesen werden. 2012 haben die Freys den letzten Eiswein gelesen. Der Klimawandel! Es war einfach nicht kalt genug oder es war zu spät kalt. »Eiswein wird es dann halt irgendwann nicht mehr geben«, sagt Frey, weil man keine edelfaulen, sondern »gesunde gefrorene Beeren« benötige.
Eine gepflegte Beeren­ (ab 120 Öchsle wie Eiswein) oder Trockenbeerenauslese sei jedoch »nicht schlechter«, tröstet der Winzer.
Dass die Freys ihre Sache gut machen, untermauern unzählige Auszeichnungen, von denen einige an der »Wall of Fame« in der Lagerhalle hängen. Wettbewerbe sieht Jürgen Frey sportlich. Er will sie gewinnen. »Der zweite Platz ist nicht unser Anspruch«, sagt der ungekrönte König der Dessertweine.

 
 

Wozu passt ein Edelsüßer?

Zu süßen Desserts passt ein Edelsüßer immer, Käse verlangt nach Holzreife-Ausbau, und Gänseleber ist in Begleitung einer Trockenbeerenauslese unschlagbar: »Ein extrem kräftiger Wein, der Paroli bietet.« Doch auch zu einem Rinderbraten mit Schokosauce sollte man die edelsüße Weinbegleitung durchaus mal austesten. Oder einfach nur so ein Glas trinken. »Das ist dann wie ein Dessert.« Mal eben bei Frey zur Verkostung vorbeischauen geht »leider« nicht. Frey Weine lernt man bei Events und in der gehobenen Gastronomie kennen. Privatkunden bestellen über ihren Weinhändler oder im Online-Shop.

 
 

Wie alles begann...

Vater Winfried Frey fing als Nebenerwerbswinzer mit den Edelsüßen an.

Durch Zufall landete eine Flasche bei einer Probe des einstmals legendären Weinsammlers Hardy Rodenstock, die sich gegen einen Edelsüßen von Chateau d’Yquem durchsetzen konnte. Der Erfolg des Newcomers war nicht mehr aufzuhalten. Sohn Jürgen Frey ging dann »voll auf Risiko«, hat sein Ziel »100 Prozent Edelsüß« längst erreicht und spielt in der Edelsüß-Liga auf Augenhöhe mit Château d’Yquem und dem Österreicher Kracher. Hatte der Vater fremdsprachige Bestellungen »einfach weggeschmissen«, setzt Jürgen Frey auf Auslandsmärkte. Jedes Jahr reist er nach China, um die Marke »Made in Germany« mit kulinarischen Tatsachen – seinen Weinen – zu untermauern.
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